Donnerstag, 12. Oktober 2017

Abenteuer Lederjacke

























Gestern habe ich angekündigt, dass ich heute einen ausführlichen Post zu meiner Lederjacke schreiben wollte. Ich bin sehr stolz, dass mir die Jacke so gut gelungen ist und möchte euch auch ermuntern, euch mal an so ein Projekt zu wagen. Voilà - es erwartet euch ein Roman mit Bilderflut.
Vor einiger Zeit gab mir meine Tante ihre alte Lederjacke, die sie sich Anfang der Neunziger Jahre gekauft hatte. Die Jacke war nicht sehr teuer gewesen, das Leder war eher steif, an manchen Stellen auch weicher, aber relativ dünn. Trotzdem hatte ich lange Hemmungen, die Jacke anzugehen, weil ich wusste, dass bei Leder jeder Stich sitzen muss.



So sah die ursprüngliche Jacke aus: Gr. 40/42: hoher Bund, angeschnittene Ärmel, Knopfleiste, Pattentaschen, Schalkragen und jede Menge Teilungsnähte. Zunächst habe ich die Jacke an den Hauptnähten aufgetrennt, um eine Vorstellung von den verfügbaren Teilen zu bekommen. Ich hätte gerne eine Bikerjacke mit seitlichem Reißverschluss gehabt, aber so viel Material war nicht da. Also machte ich mich auf die Suche nach einem Schnittmuster für eine kurze taillierte Lederjacke mit Reißverschluss, aber nicht zu komplizierter Schnittführung. Es gibt einige schöne Schnitte bei Burda und Knipmode, allerdings haben die meisten Lederjacken viele Details und so ganz unerfahren im Leder nähen wollte ich keine Reißverschlusstaschen mit aufwändigen Absteppungen o.ä. nähen. So bin ich bei der Militaryjacke 121 aus der Burda 06/2016 gelandet. Viel gegrübelt habe ich über dem Zuschnitt, weil ich so wenig zusätzliche Nähte wie möglich wollte und wenn schon nicht zu vermeiden, sollten sie an einigermaßen sinnvollen Stellen auftauchen. Kopfzerbrechen haben mir vor allem auch die vorhandenen Taschen bereitet. Gerne hätte ich sie irgendwie einbezogen, aber sie waren zu breit für die seitlichen Vorderteile.
An dieser Stelle hätte ich eigentlich ein Probeteil machen sollen. Ich habe mich recht leichtsinnig eigentlich damit begnügt, die Futterteile zusammenzunähen und anzuprobieren. Ich war  begeistert vom Sitz der Schultern und Ärmel. Es hat sich alles richtig angefühlt und sah auch schon richtig gut  aus.
Und so habe ich mich drangemacht, meine Schnittteile auf den Lederstücken hin- und herzuschieben.
Die Fotos von der Aufteilung sind stark aufgehellt, damit die Teilungsnähte erkennbar sind. Bei manchen Teilen waren sie einfach einzubeziehen, andere Teile musste ich sowieso stückeln. Dabei hat es sich wieder als sehr sinnvoll erwiesen, dass ich die Schnittteile auf Folie gezeichnet hatte, weil ich genau sehen konnte, wo die Nähte unterm Schnittteil verliefen. Leider kann man nicht lesen, welches Teil, wo liegt. Die Rückenteile habe ich jedenfalls aus dem ursprünglichen Vorderteil zugeschnitten, das  mittlere musste ich ansetzten wegen der Knopflöcher. Zum endgültigen Zuschneiden habe ich die Teile dann schon auf die linke Seite gelegt und mit 1cm Nahtzugabe zugeschnitten.

Nicht zu sehen ist der Bund, aus dem ich die Manschetten zugeschnitten habe, der Schalkragen, aus dem der Stehkragen wurde und der Besatz, den ich als Besatz verwenden konnte, wobei ich auch da wegen der Knopflöcher stückeln musste.


 Oben sind nun die zugeschnittenen Teile, unten die wenigen Reststücke. Da das Leder recht stabil ist und kein bisschen elastisch, war es sehr einfach, präzise zuzuschneiden. Die Teile habe ich anschließend gebügelt, was bei meinem Leder sehr gut funktioniert hat, und mit Kreide beschriftet. Als Einlage habe ich, so weit ich mich erinnere, Vlieseline H200 verwendet, die sich problemlos aufbügeln ließ.
Bevor ich dann angefangen habe wirklich zu nähen, habe ich mir noch verschiedene Tipps zur Lederverarbeitung  gesucht. Wichtig fand ich, mit großer Stichlänge zu nähen. Ich habe alle Nähte mit 3,6 mm genäht und eine normale 80er Nadel verwendet. Mein Spezialfüßchen habe ich nicht gebraucht, weil sich das Leder auf der Rückseite auch so problemlos nähen ließ. Zum Absteppen habe ich einen Eckenfuß aus dem Zubehör meiner Maschine verwendet. Mit dem Transportieren hatte ich eigentlich keine Probleme, sonst hätte ich Washi-Tape an die Kanten geklebt.
Fixiert habe ich mit Klammern und jeder Menge Stylefix und dann wirklich langsam und sorgfältig genäht.
 Bei diesem Zwischenstandsbild lässt sich die Schnittführung besser erkennen als auf den Fotos von der fertigen Jacke. Was wie Brustabnäher aussieht, sind einfach Nähte der alten Jacke, die unteren Teilungsnähte waren auch schon da.


 Hinten musste ich an den mittleren Teilen ansetzen, was sehr gut geklappt hat. Die Nähte passen genau auf die Nähte der seitlichen Rückenteile, welche von der alten Jacke stammen.

Ganz gereicht hat es auch nicht bei  einem Vorderteil, wo an einer Seite oben eine kleine Ecke einsetzen musste.
Beim weiteren Zusammensetzen gab es keine Schwierigkeiten, nur beim dem Ansetzen der Manschetten habe ich wieder lange rumgegrübelt. Ich hatte es mir extra so ausgedacht, dass ich den Reißverschluss nur zwischenfassen musste und dann die Manschette einfach annähen konnte. Das war ein Denkfehler, weil der innere  Teil der Manschette am Futter festgenäht werden muss und deshalb der Reißverschluss nicht vorher schon an beiden Teilen festgenäht werden kann. Leider kann ich nicht mehr genau sagen, wie ich das Problem gelöst habe. Letzten Endes habe ich den Reißverschluss zwischen die Manschettenteile geklebt und abgesteppt. Das hat nicht super geklappt, weil der Reißverschluss innen nicht komplett mitgefasst wurde. Auch außen ist es nicht perfekt geworden, aber bei schwarz sieht man das kaum.
 Den Saum habe ich mit Stylefix, so angeklebt, dass ich das Futter gut festnähen konnte. Nächstes Mal würde ich die Bruchkante mit einem Band verstärken, da die untere Kante bei mir ein bisschen wellig geworden ist.
Ganz zum Schluss habe ich die Armausschnitte hinten noch ein bisschen weiter ausgeschnitten, weil ich fand, das die Jacke ein bisschen zu breit war. Es sieht jetzt besser aus, aber wenn ich die Arme nach vorne strecke, geht es gerade noch so.
Hier noch ein paar Bilder zur Innenverarbeitung. Eine kleine Tasche gibt es unten, da habe ich mich ein bisschen in der Höhe vertan - aber wenigstens passt ein Taschentuch rein.

 



Mein Fazit: Ich habe keine Angst mehr vor der Verarbeitung von Leder, aber noch Respekt, denke aber, wenn man einige Dinge beachtet und vor allem sorgfältig und langsam arbeitet, erzielt man sehr gute Ergebnisse. Was ich immer noch nicht wagen würde, ist  teures neues Leder zu vernähen, aber ich habe hier zwei günstig erstandene Ledermäntel liegen, aus denen ich mir Jacken nähen will.
Wer diesen Megapost gelesen hat und noch Fragen stellen möchte, kann dies gerne tun.
Weil heute Donnerstag ist, verlinke ich auch mal zu RUMS, wo es auch immer wieder Spannendes zu entdecken gibt.

6 Kommentare:

  1. Hallo Susanne,
    das ist ja spannend zu lesen. Und ganz toll finde ich die vielen Bilder über die einzelnen Arbeitsschritte. Deine Jacke ist sehr chic geworden und steht dir sehr gut.
    Das rote Futter dazu sieht klasse aus und die kleinen Reißverschlüsse am Ärmel mag ich auch sehr. Ich habe richtig Lust auch etwas aus Leder zu nähen.......
    Liebe Grüße
    Astrid

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  2. Wow, da bin ich sprachlos. So eine tolle Jacke aus einem alten Stück nähen. Die neue Schnittführung mit den Nähten der alten Jacke gefällt mir richtig gut.
    Lg, Beccy

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  3. Bei dieser Jacke war sicher die Vorarbeit aufwändiger, als der Nähprozess an sich und du hast alles super gemeistert. Wie schön ich die Jacke finde, habe ich ja schon geschrieben.
    An echtes Leder traue ich mich auch nicht heran; mit Kunstleder habe dagegen ich schon ein wenig experimentiert.
    LG von Susanne

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  4. Was für ein Mammutprojekt. Alleine beim Lesen der Zuschneideorgie bekomme ich schon Angstschweiß.
    Respekt, echt, das ist Dir wunderbar gelungen!
    Liebe Grüße,
    Sandra

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  5. Hey :)
    Ich finde es bemerkenswert was du selber aus den Materialien machst.
    Die Jacke sieht echt super aus und du hast dir richtig viel Mühe gegeben :)

    Liebe Grüße
    Marius von My-Outfit24

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Ich freue mich sehr über Kommentare und bedanke mich bei allen, die sich die Zeit nehmen, einen Kommentar abzugeben.